Wer kennt es nicht? Man hat es endlich geschafft tief und fest zu schlummern um dann mit einem Ruck in die Realität geworfen zu werden.
Ich weigere mich ganze fünf Sekunden standhaft zu glauben, dass bereits wieder Morgen ist. Seufzend, das eher als ein miesepetriges Grummeln durchgeht, taste ich nach meinem Handy um den nervigen Wecker auf “Schlummern” zu stellen.
Seien wir mal ehrlich. Diese Schlummerfunktion ist auch nur dafür da, damit man sich weitere Minuten einreden kann, es sei noch gar nicht Morgen und man kann sich locker noch einmal zufrieden umdrehen. Fehlanzeige. Gefühlte Sekunden nach besagtem Umdrehen klingelt der Wecker nämlich wieder. Natürlich könnte ich jetzt meine Beine aus dem Bett schwingen, was mit meinem neuen Hüftgelenk eine easy Sache wäre. Natürlich könnte ich fröhlich pfeifend unter die Dusche springen. Natürlich könnte ich gut gelaunt am Tisch mein Frühstück verspeisen weil ich dafür ja genügend Zeit hätte.
Nun. Natürlich mache ich genau das nicht. Nicht das ich mir das am Abend davor fast täglich vornehme, obwohl ich es eigentlich besser weiß. Mein Tag beginnt also wie fast jeden Morgen damit, dass ich Zeit schinde, immer wieder einschlummere um dann verärgert auf schlummern zu drücken. So lange bis ich keine andere Wahl habe aufzustehen. Ohne Frühstück. Ohne gute Laune und ganz sicher ohne zu pfeifen. Ich hasse das Aufstehen aus tiefstem Herzen. Dennoch ist ein nicht unerheblicher Teil von mir immer sehr pünktlich, was dazu führt das ich eigentlich nie zu spät zur Arbeit komme, dafür aber das Frühstück so aussieht, dass ich mir eine Breze bei meinem Bäcker nebenan kaufe und diese auf dem Weg zur U-Bahn verspeise.
Man könnte auch sagen, das Stadtleben wäre daran schuld. Aber da ich auch ne ehrliche Haut bin, kann ich das widerlegen. Ich bin in einer eher ländlichen Umgebung aufgewachsen und selbst da war das Frühstück morgens eher ne kurze oder eben gar keine Sache.
Nachdem ich besagtes Frühstückchen verschlungen habe, sehe ich dabei zu wie eine U-Bahn, bereits voller Menschen, einfährt und sich noch mehr Menschen dazu drängen. Kurz stelle ich mir vor wie sie sich aufeinander stapeln ehe die Türen wieder zu gleiten und der Zug mit ans Fenster gedrückten Stadtleuten im dunklen Tunnel verschwindet.
Kurz darauf kommt eine fast leere U-Bahn und begrüßt mich mit bequemen Sitzen. Geduld ist etwas, was man in der Stadt entweder verlernt oder nie gelernt hat. Umso besser für mich. Auch wenn meine Fahrt von kurzer Dauer ist. Zwei Stationen später steige ich wieder aus und mache mich, natürlich zu Fuß (seit neuestem bin ich im Besitz eines Schrittzählers, das muss man auch nutzen) auf den Weg in die Arbeit.
Meine bisher vermisste gute Laune, lugt schüchtern aus ihrer dunklen Ecke hervor und kuckt mit großen Augen dabei zu wie ich Treppe für Treppe ersteige um endlich in der Praxis anzukommen, in der ich seit gut zwei Jahren erfolgreich kleine Kinder ärgern darf. Spaß bei Seite. Natürlich erledige ich meine Arbeit als Arzthelferin in einer Kinderarztpraxis mit sehr viel Gewissen. Was natürlich nicht heisst, das ich die kleinen Patienten nicht ab und an etwas ärgere.
Heute ist es noch leer und im Vergleich zum Winter, steht auch noch niemand vor der eigentlichen Sprechstunde an der Anmeldung um einen dringenden Notfall anzumelden. Ohne Termin natürlich, denn es ist offensichtlich dass der besagte Notfall totkrank ist und unbedingt vom Onkel Doktor untersucht werden müsste. Nachdem innerhalb von wenigen Minuten das Wartezimmer so aussieht, als hätten sich darin 50 Kinder gleichzeitig vergnügt.
Wie gesagt, heute ist es leer. Zumindest noch und ich habe reichlich Zeit meinem Chef und meiner Chefin guten Morgen zu wünschen und mir die Hände zu waschen (ein Muss falls hier Arzthelferin das lesen und dies nicht machen). Das alles mit einem Lächeln auf den Lippen. Kaum zu glauben, zwanzig Minuten davor wäre jeder vor meinen gefletschten Zähnen geflohen.
Es ist sogar so ruhig, das ich die Vorsorgen für den nächsten Tag bereits vorbereiten kann und alles säuberlich ins davor vorgesehene Fach schieben kann, ehe mein guter Freund das Telefon fröhlich zu Läuten anfängt. Dann wollen wir mal. Der Tag beginnt.
Oder auch nicht. Die Ferien gepaart mit dem guten Wetter haben wohl alle Krankheiten von kleinen Kindern ferngehalten. Zumindest von den meisten. Nur hartgesottene, in München gebliebene Eltern erscheinen mit unseren kleinen Patienten zu Vorsorge- oder Impfterminen. Da sich sonst kaum jemand im Wartezimmer aufhält sind sie meist genauso schnell wieder draußen wie sie gekommen sind und lassen mich wieder zurück. Neben meinem nun sehr stillen Freund, der sich standhaft weigert zu klingen. Nun gut, nicht dass ich es nicht angenehm finde endlich Arbeiten zu erledigen die sonst immer liegen bleiben. Kaum greife ich nach meinem Impfbuch, läutetet es neben mir, um mir dann anzuzeigen das der Anrufer nach meinem sehr netten Begrüßungsspruch aufgelegt hatte. Vielleicht doch nicht so nett. Wobei meine gute Laune bereits munter auf und ab hüpft und fröhlich vor sich hin quietscht. Ehe ich mich versehe ist der ruhige Vormittag sowie die noch ruhigere Pause (in der mein Freund Twitter leider herhalten muss) vorbei und die Nachmittagssprechstunde ist gekommen. Ich stürze mich voller Elan auf die kommenden Patienten.
Ehe sich die nächsten Patienten im Wartezimmer niederlassen können, stehe ich schon bereit dem nächsten sein kurzes, nicht so schönes Schicksal angedeihen zu lassen. Mein Nachmittag war also gerettet. Ich durfte mit Nadeln in der Hand hantieren, helfen dass diese auch im Arm des Kindes landen und bekomme dafür immer wieder ein lächelndes Danke der Eltern. Ihr müsst schon zugeben, es ist durchaus ein schöner Beruf. Doch kaum in meinem Element ist der Feierabend da. Schön und doch irgendwie traurig. Aber nun gut. Morgen ist ja ein neuer Tag. Das heisst, wenn ich das Aufstehen überlebe. Ach was, morgen schaffe ich es pünktlich aufzustehen! Ich werde genüsslich frühstücken und mich morgen vielleicht sogar etwas schminken!
Mein Zukunftsich schüttelt bereits wissen den Kopf. It’s not gonna happen!